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Anastasia und Teodora flüchten 

Anastasia, Daikoku, buddhistische Nonne

„Warum möchtest du mit mir gehen Teodora?“, fragte Anastasia. „Ich sehne mich nach meiner Heimat und nach meiner Mutter und einem Jungen….den ich versprochen hatte zu heiraten, bevor mein Vater mich als Dienerin verkauft hat. Ich muss in mein Dorf zurück, sonst vergisst er mich noch und heiratet eine andere.“ 

„Und wie hast du dir das jetzt genau vorgestellt, hier weg zu kommen?“ „Ich werde zwei Schlaftabletten besorgen. Eine gebe ich morgen Abend in den Wein deiner Mutter, wenn ich ihr das Abendessen serviere. Die andere Tablette verabreiche ich dem Wächter am Tor.  Ich löse sie in seinem Bier auf, welches ich ihm jeden Abend bringe. Er  grabscht immer nach mir und zerrt an meinem Kleid! Ich werde ihn anlächeln und schnüre mein Kleid auf, dann denkt er, ich würde mich erweichen lassen. 

Dann verkleiden wir uns als Küchenjungen. Wenn du mir etwas für unseren Küchenjungen gibst, wird er sich von seinen zerlumpten Kleidern trennen – er ist so groß wie du. Da dein Haar sowieso schon kurz ist, musst du nur dein Gesicht schmutzig machen.“ „Schau mal meine Hände! Weiß und schmal, mit rosafarbenen Fingernägeln. So wie sie jetzt aussehen, würden wir doch sofort auffliegen, auch wenn wir verkleidet sind.“ „Ja stimmt. Reib doch Ruß auf die Hände und unter die Fingernägel. Wir brauchen auch noch Geld.“ Triumphierend zog Anastasia einen Beutel mit Geldmünzen hervor. 

Bis am nächsten Abend Anastasias Mutter ihr Abendessen verzehrt und ihren Wein getrunken hatte und schließlich wie tot in ihrem Sessel zusammensackte, war die Kerze heruntergebrannt. Teodora öffnete die Tür und flüsterte. „Schnell!“ Sie trug geflickte Hosen und ein schmutziges zerlumptes Leinenhemd und hatte sich ihre Zöpfe abgeschnitten. Rasch zog sich Anastasia die Kleidung des Küchenjungen an, welche Teodora ihr am Nachmittag gebracht hatte und unter ihrem Bett versteckt hatte. Die verdreckten Kleider fühlten sich unangenehm auf der Haut an.

 „Mach dir die Hände und das Gesicht mit Wasser aus dem Krug nass und reib Asche aus dem Kamin darauf“, wies Teodora sie flüsternd an. Sie band Anastasia den Beutel mit den Geldmünzen unter die Hose, sodass sich im Schritt eine Rundung abzeichnete. Anastasia sagte, dass es unbequem sei, doch Teodora beharrte darauf, dass dies zu ihrer Verkleidung dazugehöre. 

Weil Anastasias Dialekt sie verraten würde, sollte Teodora das Reden in ihrem ländlichen Dialekt übernehmen. Sie seien Bauernjungen, würde sie sagen, wenn sie gefragt würden, zwei Brüder, die in ihr Dorf zurückkehrten. Teodora sei der Klügere von beiden, Anastasia dagegen sei ein schlichter Bursche, von Geburt an stumm. 

Anastasia schielte und kratzte sich dort, wo der Beutel hing, und Teodora konnte ein Kichern nicht unterdrücken. Sie schlichen sich an dem schlafenden Wächter vorbei, öffneten die Tür und warteten, bis die Nachtwächter ihre Runde gedreht hatten. Nun hasteten sie in die Nacht, wohl wissend, dass der Wächter Alarm schlagen würde, sobald er aufwachte, und die Suche nach ihnen sofort beginnen würde. 

Ihre Reise war beschwerlich. Sie wanderten durch die tropische Nacht. Auch den nächsten ganzen Tag waren sie unterwegs. Schon bald hatten sie Löcher in ihre Schuhsohlen gelaufen und wickelten sich Lumpen um die Füße, so gut es eben ging. Anastasia humpelte und sie ließen sich von einem Bauernkarren mitnehmen. Dieser brachte die beiden aber auch nicht sehr weit.

Ihr Geld reichte für zwei Brote, Honig, Wasser und wilde Früchte. Das genügte aber keineswegs. So  wanderten die beiden Mädchen hungrig durch die Gegend. Zum Glück hatten sie ausreichend Wasser. Anastasia trank aber trotzdem nicht genug. Dieser Sommertag war genauso heiß wie der vorherige Tag. Die Sonne brannte. Teodora hatte zum Schutz gegen die Sonne einen Hut auf. Anastasia hatte ihren Hut zu Hause vergessen. Immer wenn es den Mädchen möglich war, gingen sie im Schatten. Trotz des Hungers und der  Erschöpfung wurde Teodora allerdings immer zuversichtlicher. 

Teodora zeigte auf die weißen Steine, die ihren Weg durch den Wald markierten, ermunterte Anastasia und spornte sie unablässig an. Anastasia verlor jegliches Gefühl für Zeit. Ihre Füße  waren wund und sie konnte an nichts anderes denken, als einen Fuß vor den anderen zu setzen, bis der Tag vorüber war. 

Da sie kein Geld mehr hatten, waren sie auf die Wohltätigkeit der Leute in den Dörfern angewiesen. Allerdings kamen dabei auch nur ein Apfel für beide herum. Gegen Mitternacht, nachdem sie über 24 Stunden unterwegs waren, bluteten Anastasias Füße. Sie bekam Fieber. Schließlich weigerte sie sich, weiterzugehen. Sie wollte sich nur noch am Straßenrand niederlegen und sterben. Teodora ließ sie auf einem Stein zusammengesunken zurück.

In der Dunkelheit suchte Teodora nach etwas Essbaren. In einer Scheune, in welcher Licht brannte und keiner war, fand sie ein Stück hartes Brot und einen halb verfaulten Apfel. Beides gab sie Anastasia. Sie warteten noch eine Stunde und nachdem Anastasia Teodora versicherte, dass es nicht mehr weit sei, gingen die beiden weiter.

Als es an diesem Sommertag langsam hell wurde,  gelangten sie zu einem buddhistischen Kloster in Dusenberg. Teodora stieß, zog und lockte Anastasia eine Terrasse hoch bis zu einem Tor, das in eine hohe Steinmauer eingelassen war. Schließlich ließ Teodora sie in den Staub sinken, um an einem Glockenstrang zu ziehen. Das Letzte, was Anastasia vernahm, war das Läuten der Glocke. Sie scherte sich nicht mehr darum, ob sie lebte oder starb. Anastasia erwachte, umgeben von Nonnen, die ihr die zerlumpten und verlausten Kleider vom Leib schnitten. Sie versuchte verzweifelt, sich aufzurichten. Dabei rief sie immer wieder irgendetwas, was keiner verstand. 

Die Nonnen flößten ihr Kräuterbrühe ein und einen beruhigenden Trank und legten sie im Krankenzimmer des Klosters in ein Bett. Allmählich wurde sie ruhiger. Schließlich fiel sie in einen Schlaf, der so tief war, als sei sie gestorben. Von Teodora erfuhren die Nonnen, dass sie Anastasia hieß. Sie suche Schutz vor ihrer Familie und wolle anfragen, ob die buddhistischen Nonnen, ihr diesen gewähren können. Teodora selbst wollte nicht bleiben. Sie hatte es eilig, weiterzukommen. Sie hoffe, bald verheiratet zu sein.

Anastasia lag viele Wochen im Hospital, bevor sie den Nonnen mehr erzählen konnte. Sie war ausgemergelt und schwach. Zudem fantasierte sie im Fieber. Als sie schließlich soweit genesen war, dass sie aufstehen konnte, suchte sie die Äbtissin Efgenia auf und sagte ihr, sie könne leider für ihre Unterkunft hier nichts bezahlen. Wenn sie bleiben dürfe, bis es Herbst wurde, wolle sie gerne jede Arbeit verrichten, die man ihr zuweise, in der Küche oder im Waisenhaus oder an einer anderen Stelle. 

„Meine Liebe, ihr könnt so lange bleiben, wie es nötig ist und du musst dafür auch kein Geld bezahlen. Unser Kloster ist dem Schutz der Frauen verpflichtet.  Erzähle mir doch bitte deine Geschichte.“ „Ja selbstverständlich“ Nachdem Anastasia Efgenia ihre Lebensgeschichte erzählte hatte, sagte die Äbtissin: „Vielen Dank für deine Geschichte und deine Offenheit. Wie ich bereits gesagt habe, du kannst hier bleiben, solange wie es nötig ist. Und was deine Arbeit hier angeht…“ 

Efgenia nahm Anastasias Hände und besah sie sich genau. Es sei offenkundig, dass sie noch nie Töpfe gescheuert oder Kleider gewaschen habe, sagte sie, und sie bezweifle, dass Anastasia bei niederen Arbeiten von großem Nutzen sein würde. Rasch fragte die Schreiberin unter den Nonnen Schwester Helga bei der Äbtissin nach, ob Anastasia ihr im Skriptorium helfen könne. Während der Genesung hatte Schwester Helga genug Zeit mit Anastasia verbracht, um herauszufinden, dass sie nicht nur klug, sondern auch gebildet war. Schwester Helga hatte sie  zwei Briefe für sie abschreiben lassen und ihre Schrift war hervorragend. 

„Es ist ungewöhnlich, das jemand, der nicht Novizin oder Nonne ist, Einblicke in unsere Angelegenheiten bekommt. Kann ich auf deine Verschwiegenheit vertrauen, wenn es um unsere Geheimnisse geht?“ Anastasia nickte. „Ich gebe Euch mein Wort, Äbtissin.“ Als Schwester Helga ihr die Bibliothek und das Skriptorium zeigte, seufzte sie zufrieden und begann sofort, sich nützlich zu machen. Dabei befolgte sie genauestens alle Anweisungen, die Schwester Helga ihr gab. 

Als Anastasia vier Wochen im buddhistischen Kloster lebte, erschien ihr, als sie gerade zu Bett gehen wollte, eine Gottheit, welche sprach: „ Sei gegrüßt, liebe Anastasia, ich bin Daikoku.“ Anastasia war irritiert und wusste gar nicht, wie ihr geschah. Sie fragte nach: „Entschuldigung, wer seid Ihr?“ „ Ich bin Daikoku, der Gott des Reichtums, vor allem der reichen Ernte, der reichen Nahrung und der Küche.“ „Ich habe noch nie von Ihnen gehört“

 „Oh Anastasia, dafür habe ich umso mehr von dir gehört. Du bist ein ungezogenes Mädchen. Du weißt schon, dass du nicht hier sein solltest?“ Anastasia druckste hin und her: „Ja…schon… aber…ich weiß, ich sollte auf meine Familie hören und bei ihr sein. Aber das geht nicht.“ „Liebes Kind, das meine ich überhaupt nicht. Du hast also nicht die leiseste Ahnung.“ 

Eine Antwort zu „Anastasia und Teodora flüchten “

  1. Avatar von Gisela E.
    Gisela E.

    Eine neue Geschichte. Viele neue Bilder. Wirklich interessante Darstellungen. Bin gespannt auf die Fortsetzung der Geschichte.

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