Das Herz des toten Ludwig muss im Totengericht, wo Thot als Protokollant "arbeitet", gewogen werden.

»Beobachtet wurde unser lieber Herr Papa von Mictlantecuhtli, dem Herrscher der Unterwelt, der  sich allerdings unsichtbar gemacht hatte. Als nun Archimedes, neben dem toten Ludwig stehend, grübelte, was er jetzt mit der Leiche anstellen soll, dachte sich Mictlantecuhtli:

›Wunderbar hat dieser Sterbliche das wieder hingekriegt. Immer derselbe Mist. Im Affekt töten und dann nicht weiter wissen.  Jetzt darf ich mir wieder den Kopf darüber zerbrechen, was mit dem Toten passiert. Ich bin inzwischen zu alt für so was. Jetzt mach ich mich aber erstmal sichtbar und geig diesem Archimedes ordentlich meine Meinung.‹

Herr Papa erschrak, als der Unterweltsgott plötzlich neben ihm erschien und mit seiner Ansprache loslegte: ›Was hast du dir denn dabei gedacht? Weißt du eigentlich wie viele Tote bei mir in der Unterwelt gelandet sind, weil sie von irgendeinem oder auch oft genug irgendeiner deiner Sorte getötet worden sind?

Ich kann euch nicht begreifen, ihr Sterblichen! An Gründen, irgendwen tu zu töten, mangelt es euch Menschen definitiv nicht. „Ich konnte ihn einfach nicht mehr sehen“ ist mein persönlicher Favorit, gleich gefolgt von: „Was blieb mir denn anderes übrig?“

So und jetzt fragst du dich, wie du aus dem Schlamassel wieder herauskommst? Keiner darf erfahren, dass du Ludwig getötet hast. Genauso wie niemand wissen soll, dass Henny – entschuldige, dass ich diesen Namen in deiner Gegenwart erwähne – mit dir – wie soll ich es ausdrücken? – geschwisterlich verwandt ist. 

So mein lieber Archimedes! Du kannst äußerst froh darüber sein, dass es  einen so derartig schlauen Gott wie mich gibt, der für jede Herausforderung einfach eine Lösung  aus dem Arm schüttelt. Ich werde dafür sorgen, dass  niemand irgendetwas erfährt. Ich lasse die Leiche von meinen Gehilfen geradewegs in den Badesee bringen und dann sorge ich dafür, dass  keiner auch nur eine Klitzekleinigkeit über die Wahrheit Bescheid weiß.‹

Archimedes fragt ungläubig noch einmal nach: ›Niemand wird irgendetwas erfahren?‹ ›Darauf kannst du Gift nehmen.‹ ›Und was bin ich Euch dafür schuldig?‹ ›Gar nichts. Glaube mir, für mich ist es auch besser, wenn sich unter den Menschen weniger Kriminelle befinden.‹

›Aber ich bleibe doch kriminell‹ ›Wo kein Kläger, da kein Richter. Dich wird niemand anklagen, da die Leuten denken werden, dass Ludwig im Badesee ohne Fremdverschulden ertrunken ist.‹

›Ludwig kann nicht schwimmen. Warum sollte er dann freiwillig in den Badesee gehen?‹ ›Unglaublich, du weißt wirklich nicht viel von Ludwig. Er hat einen Schwimmkurs gemacht und geht jetzt sogar regelmäßig im Badesee schwimmen.‹

,Und warum sollte er dann jetzt dort ertrinken? Spätestens bei der Obduktion der Leiche wird man feststellen, dass er nicht ertrunken ist.‹

›Gottverdammt! Du nervst! Er ist aber ertrunken! Darum wird sich der Meeresgott Poseidon nach meiner Anordnung schon kümmern. Poseidon ist auf meiner Seite. Er möchte nämlich auch nicht, dass ich von der Liebesgöttin Venus Ärger bekomme.‹

›Was hat denn Venus jetzt mit der Angelegenheit zu tun?‹ ›Ganz schön viel. Wenn Venus bemerkt, dass ich dich dabei beobachtet habe, wie du einen Menschen tötest, habe ich ganz schön schlechte Karten. Dann denkt sie sich garantiert etwas Fieses aus. Beim letzten Mal wollte sie, dass ich allen Gottheiten einen Kuss gebe und sie umarme. Das ist ja überhaupt nichts für mich.‹

 ›Und die anderen Gottheiten mochten das?‹ ›Außer Poseidon und der Regengott Tlaloc waren alle aus dem Häuschen – zumindest hatte ich diesen Eindruck.‹

›Zeus  mochte, dass Ihr ihm einen Kuss auf den Mund gebt?‹ ›Tja, Mann lernt halt immer noch etwas dazu. Also, ich tue mir definitiv einen Gefallen, wenn ich dafür sorge, dass Ludwig einfach im Badesee ertrunken ist. ‹ «

So schilderte Philon den Zwillingen die Vorgänge. Eine Frage blieb: Woher wusste Philon von alledem? Dreimal dürft ihr raten. Der Spurenleger Dionysos hat es ihm erzählt. Gregorian war der Zwilling, der seinem Halbbruder Philon diese Frage stellte, nachdem Marian und er die ganze Zeit aufmerksam zugehört hatten. Für die Zwillinge war das alles ziemlich viel und so fragte  Marian Philon nach einem Glas Wasser. »Ihr beide könnt auch Zitronenlimonade haben.« Die Zwillinge nickten zufrieden. 

Dann erzählte Philon weiter: »Auf einmal wurde es dunkel und nur durch das Wohnzimmerfenster schien Licht ins Wohnzimmer. Draußen tauchte in dem grünen Licht eine seltsame Gestalt auf. Mictlantecuhtli wusste sofort Bescheid, um wen es sich da handelte. Die Gottheit kam durch die Tür auf Archimedes und Mictlantecuhtli zu.

Ohne lange zu warten, tat die Gottheit sogleich seinen Ärger kund, indem er den Herrscher der Unterwelt direkt ansprach:

›Was treibst du hier? Was hast du mit dem toten Ludwig vor? Du stellst mich als Protokollanten des Totengerichts vor große Herausforderungen. Wird Ludwig, wenn du deinen Plan in die Tat umgesetzt hat, würdig sein, in das Totenreich aufgenommen zu werden?‹

Mictlantecuhtli erwiderte:›Oh Thot, Hüter der Weisheit und Gerechtigkeit, Vermittler zwischen den Toten und den Richtern des Totengerichts, sei nicht immer so besorgt um das Ergebnis des Herzwiegens beim Totengericht! Es wird schon alles gut gehen.‹ «

Da unterbrach Gregorian Philon: »Ist Thot nicht der menschengestaltige Gott mit einem Ibiskopf?« Philon nickte: »Ganz genau. Er läuft meistens mit einer Papyrusrolle herum und einer Feder, mit der  er beispielsweise die Ergebnisse des Herzwiegens notiert.«

Nun fragte Marian nach: »Wie läuft dieses Totengericht eigentlich ab, von dem du hier die ganze Zeit sprichst?« Philon erklärte:» Beim Totengericht wird das Herz jedes Toten mit einer Waage gewogen.

Auf der Waage befindet sich  Ma’at, Göttin der Ordnung, Wahrheit und des Gleichgewichts und Thots Mutter. Unter der Waage nehmen gleich zwei Gottheiten Platz: 

Auf der linken Seite kniet der schakalköpfige Anubis, Leiter des Totengerichts, der die Waage einstellt und auf der rechten Seite sitzt die Göttin Ammut mit dem Kopf eines Krokodils, der Mähne eines Löwen, dem Vorderkörper eines Gepards und dem Hinterkörpers eines Nilpferds.

 Auf der rechten Waagschale der Waage liegt Ma’ats Feder.Ist das Herz des Toten nun leichter als diese Feder, kann der Tote fortan in Gemeinschaft mit den Göttern im Totenreich leben. Für den Fall, dass das Herz schwerer als die Feder ist, wird das Herz von Ammut gefressen.«

Marian nickte zufrieden: »Verstanden. Und Thot befürchtete nun, dass das Herz des toten Ludwig schwerer als Ma’ats Feder ist und von Ammut verschlungen wird?« Philon stimmte dem zu: »Thot hat vor diesem Resultat immer Angst. Weiß der Geier warum?

Nachdem Mictlantecuthli Thot versichert hatte, dass alles gut gehen wird, ließ er den toten Ludwig von seinen Gehilfen abholen und in den Badesee bringen. Sofort sorgte Poseidon dafür, dass Ludwig auch wirklich ertrunken ist. Nun wurde Thot von Anubis zum Totengericht gerufen und tatsächlich war das Herz des toten Ludwig leichter als Ma’ats Feder.«

Dann fragte Gregorian: »Und wann wurde Ludwig im Badesee gefunden? « »Zwei Tage später ging Henny im Badesee schwimmen und fand die Leiche. Eine Obduktion ergab, dass Ludwig ohne Fremdeinwirkung hier ertrunken ist.« Gregorian und Marian schüttelten den Kopf: »Unglaublich!«

Dann musste Gregorian noch etwas loswerden: »Aber du wusstest doch von Dionysos, dass unser Herr Papa Ludwig mit einer Vase erschlagen hat. Warum hast du der Polizei nicht die Wahrheit erzählt?«

Philon entgegnete: »Der Totschlag mit der Vase ist jetzt zehn Jahre her und Dionysos hat mir die wahre Geschichte vor einem Jahr erzählt. Aber wisst ihr, was Dionysos mir noch gesagt hat?…

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