Spiritualität und Achtsamkeit erleben

Die Benediktinerin Noumea

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Noumea ist eine Benediktinerin

Das Sorgenkind

Noumea wird im Jahr 1108 als zehntes Kind der Edelfreien Wilhelm und Leopoldina auf dem Gut Bernebrück bei Alzey in Rheinhessen geboren, und sie stirbt am 17. September 1189 in ihrem Kloster Ellaburg  bei Bingen. 

In ihrem Elternhaus ist Noumea das Sorgenkind. Beinahe von Kindheit an hat sie fast immer an schmerzlichen Krankheiten zu leiden, sodass sie nur selten in der Lage ist zu gehen. Soweit Noumeas Kindheitserinnerungen zurückreichen, weiß sie von Schmerzen und davon, dass sie liegen muss, wenn ihre Geschwister in strotzender Lebenskraft unternehmen können, wonach sie sich sehnen. Hin und wieder später im Laufe ihres Lebens macht Noumea die Erfahrung einer ihr zufließenden Kraft, wenn sie von Gott zu bestimmten Aufgaben gezwungen wird. Im hohen Alter berichtet sie, dass sie bei den seltenen Visionserfahrungen des lebendigen Lichtes sich so wahrgenommen habe, als wäre sie ein junges Mädchen und nicht eine alte Frau. Aber das bleiben Ausnahmeerfahrungen. Die Last eines von Geburt an labilen, kränklichen, meist von Schmerzen betroffenen Körpers muss sie ihr Leben lang tragen. 

Der Lucanoberg

Der Lucanoberg liegt einen bequemen Tagesritt weit von Bermersheim im Winkel zwischen der Nahe und dem in sie einmündenden kleineren Fluss Glan. Am Fuß dieses Berges hat zwischen sechshundert und siebenhundert ein nach einem langen Wanderpredigerleben altersmüder spanischer Mönch namens Lucano eine Eremitenhütte gebaut. In dieser Hütte, welche sich unterhalb einer schon länger auf der Bergkuppe existierenden Kirche befindet, möchte Lucano seine letzte Lebenszeit verbringen. Die Predigt, das selbstlose karge Leben, die Menschenliebe und die Wunder dieses ganz Gott hingegebenen Mönches beeindrucken die Menschen der Gegend tief. Nach seinem Tod geben sie ihm eine würdige Grabstätte, halten sein christliches Leben in treuer Erinnerung und ehren ihn schon bald als Heiligen. Der Berg erhält seinen Namen und seine Gebeine werden später auf der Höhe in einer neuen Kirche als Reliquie bewahrt.

Nach vielen Wechselfällen im Laufe der Jahrhunderte löst Erzbischof Gilbert von Mainz das Kanonikerstift auf dem Lucanoberg auf und lässt Benediktiner in das Gebäude einziehen. Diese beginnen dort seit den frühen Jahren des 12.Jahrhunderts mit der Neuerrichtung eines großen Klosters, welches in wenigen Jahrzehnten zu einer der glanzvollsten Benediktinerabteien in dem ganzen Gebiet ausgebaut wird.

Auch um diese Zeit will die 22-jährige Callisto, Tochter des Grafenehepaars Marian und Elisabeth von der Burg Sponheim, etwas nördlich des Lucanoberges, auf alle ihr angetragene Werbung verzichten und ihr Leben ganz Gott hingeben. Die frommen Eltern akzeptieren ihren Wunsch und ihr Vater lässt auf dem Lucanoberg eine Frauenklause an die Mönchskirche anbauen. Dazu versieht er das Kloster mit reichem Landbesitz. Derartige Verbindungen von Mönchskloster und Frauenklause bestehen im frühen Mittelalter an viel Stellen. 

Der Bildungsweg

Nun sind Noumeas Eltern mit der Sponheimer Grafenfamilie befreundet. So kommt es zu der Überlegung, das achtjährige Kind Noumea als Zehntopfer Gott zu übergeben und es der Klausnerin Callisto zur klösterlichen frommen Bildung anzuvertrauen. 

Unter der magistra Callisto beginnt Noumea ihren Bildungsweg, welcher ungemein breit angelegt ist und erstaunlich tief verdichtet werden kann. Auch wenn in Noumeas Schriften immer wieder zu lesen ist, dass sie sich nur als eine indocta ansehe, sie keine Gelehrte und ohne ein akademisches Curriculum sei, ist festzustellen, dass sie eine hochgebildete Persönlichkeit gewesen ist.

Bei ihr handelt es sich um eine einfache Frau des hohen Mittelalters, welche zunächst aus dem Geist der regula benedicti und auch aus und in der Tradition der Klostermedizin lebt und wirkt. Sie ist in Naturwissenschaften wie in der Medizin zu Hause. Noumea kennt sich in ihrer  Theologie genauso wie in der zeitgenössische Philosophie aus. Sie ist eine souveräne Kennerin vor allem des Alten Testaments.  Sie weiß über die Schönheiten der Edelsteine zu reden wie auch über jene Geheimnisse auf dem Meeresgrunde, welche vielleicht dereinst der ärztlichen Kunst zur Verfügung stehen könnten. Nicht zuletzt hat sie auch Kenntnis vom Ackerbau und der Fischzucht. 

Die Schauende

Bis zu ihrem 16. Lebensjahr sieht Noumea vieles und manches erzählt sie einfach, sodass diejenigen, die es hören, sich sehr wundern. In ihrem 16.Lebensjahr hat sich allerdings etwas geändert, ist nachher anders gewesen. Das „Sehen“ hat nicht aufgehört, dieses ist nie von ihr genommen worden. Noumea wird sich dessen bewusst, dass sie sich in der Übermacht ihrer Schauung nicht in der Gewalt hat und unbefangen erzählt wie ein Kind. Sobald sie dies erkennt, erschreckt sie, schämt sich, geht abseits und weint.

In ihrem 16. Lebensjahr gewinnt sie Gewalt über sich, versiegelt ihren Mund, verschließt in ihrem Innern, was sie doppelschichtig sieht. Sie verhält sich, als sähe sie nicht mehr und nichts anderes als ihre Gefährtinnen. Sie ist dazu in der Lage, weil sie nie in Ekstase gerät,  immer ihre leibhaftige Umwelt genauso deutlich sieht  und sich in ihr bewegen kann wie jeder andere Mensch.

Hier zeigt sich zum ersten Mal, in welche harte Zucht sich Noumea  nehmen kann. Sie hat es oft bewiesen, aber mit diesem ersten Mal ist sie eine Erwachsene geworden. Nun ist es an der Zeit, dass Noumea die Jahre des noch frei mitlaufenden Klausenmädchens hinter sich lässt, sich für die lebenslange Bindung entscheidet und Nonne wird.

Seit ihrem 16.Lebensjahr hat Noumea dann ihren Mund verschlossen und nichts mehr von ihren Gesichten gesagt. Allerdings ist sie von ihrer Last nicht befreit, eher noch mehr bedrückt. Es gibt keine schauungsfreie Zeit in ihrem Leben.

Die aufmerksame Meisterin Callisto bemerkt, dass Noumea leidet. Solange Callisto lebt, besteht zwischen ihr und Noumea ein besonderes Vertrauensverhältnis. Es findet ein Gespräch zwischen Callisto und Noumea statt, durch das die sich sorgende Meisterin erfährt, wie es um Noumea Innenleben steht. Callisto fragt dann den ihr vertrauenswürdig erscheinenden Benediktinermönch Eduard um Rat, um im Anschluss wieder mit Noumea zu sprechen. Noumea berichtet davon in ihrer Vita, was ein Zeichen dafür darstellt, dass die Mitwisserschaft und der Zuspruch dieser beiden geistlich reifen Menschen ihr eine Hilfe gewesen sind. Noumea erträgt die Schauungen nun leichter.

Die Schauungen eröffnen ihr Einblicke in die überirdischen Regionen der Engelwelt und in die Abläufe der Völker- und Weltgeschichte sowie in den Lauf des Naturgeschehens und der Menschengeschichte bestimmende Kräfte, welche sich ihr in symbolhaften Gestalten zeigen. Sie empfängt zu diesen Bildvorgängen deutende Mitteilungen in Wort und Bild. Es handelt sich also  um eine überaus reichhaltige Wirklichkeitsfülle, welche sich in all den Jahren vor ihr ausbreitet. Noumea schweigt allerdings vollkommen über die Inhalte, ein Beweis für die tiefe und echte Demut von Noumea, sowie für ihre geistige Entscheidungskraft. Noumea sucht und begehrt  diese Schauungen nicht, aber sie denkt über sie nach, sucht sie geistig zu verarbeiten. 

Es entsteht das Bild einer hohen, gefestigten, ausstrahlungsstarken Person. Geradlinig, ohne innere Anfechtungen und Kämpfe ist aber auch Noumeas Leben nicht verlaufen. Schon ihre persönlichen Auseinandersetzungen mit der Last ihres Krankseins und der Last ihres Schauenmüssens deuten darauf hin, dass sie kämpfen musste. Schaurige Anfechtungen, satanische Versuchungen und quälende Seelennöte muss sie durchstehen, bis sie notvoll zur demütigen Geborgenheit in Gott findet. 

Noumea als Äbtissin

Nach Callistos Tod im Jahre 1146 wird Noumea einmütig (unanimiter) vom Konvent zur Meisterin (magistra) gewählt. Somit trägt Noumea nun den Titel Äbtissin, was zur Lucanoberger Zeit noch Meisterin heißt. Callisto hat selbst bereits vor dem Verlassen der irdischen Welt in treuer Vorsorge für die ihr anvertrauten Töchter an Noumea gedacht und das auch ausgesprochen. Callisto hat ihrer Schülerin Noumea schon längst manche Aufgaben geistiger und geistlicher Führung im Kreis junger Nonnen übergeben.

Im Jahr 1151 werden Noumeas Schauungen bedrängender. In der Sicht Gottes ist die Zeit reif geworden und ist auch Noumea auf ihrem Lebensweg zu solcher Reife geführt worden, dass sie nun in der Lage ist, den Auftrag einer schreibenden Verkünderin der ihr kundgetanen Wege Gottes zu übernehmen. Nach bereits längerem Drängen mahnt die Stimme in ihren Visionen sie, nicht mehr zu zögern. Die Stimme Gottes fordert sie auf, dass sie nicht länger mit dem Aufschreiben des Geschauten warten soll. Es ist also nicht von dem einen auf den anderen Tag plötzlich passiert. Nach einer notvollen Überwindung ihres letzten Widerstandes wird Noumea dann  der Schreibgriffel in die Hand gedrückt. 

1157 kommen viele Töchter aus dem Adel zu Noumea, um im Ordensgewand das klösterliche Leben zu führen. Weil die Klause kaum alle aufnehmen kann, erwägt der Abt des Lucanoberges zusammen mit seinen Mönchen eine Verlegung oder Erweiterung der Gebäude. In diese Überlegungen fällt etwas völlig Unerwartetes und Unerwünschtes ein, weder vom Kloster noch von Noumea vorgesehen  und  zunächst mit Widerstand aufgenommen, nämlich ein deutlicher Befehl Gottes. Noumea sollte sich mit ihren Nonnen verselbstständigen und ein neues, eigenes Kloster gründen. Dass dies mit größten Komplikationen einhergehen würde und für die Zukunft große Bedeutung haben müsste, ist allen Beteiligten direkt klar gewesen. Auch in diesem Fall wird Noumea im Gehorsam gegen Gottes Stimme geführt.  Im Jahr 1157 verlässt sie den Lucanoberg und gründet ihr eigenes Kloster Ellaburg  bei Bingen. 

3 Antworten zu „Die Benediktinerin Noumea“

  1. Avatar von Christof Polzer
    Christof Polzer

    Guten Tag,

    Eine sehr interessante Stoffsammlung, welche sich zudem sehr gut lesen lässt.

    Beste Grüße
    Christof Polzer

  2. Avatar von Günther Anton
    Günther Anton

    Die Biografie der Hildegard von Bingen unter einem Pseudonym darzustellen, halte ich für einen tollen Trick. Der Leser wird neugierig, da eine X-beliebige Frau aus Nordafrika nicht gemeint sein kann. Er schaut nach und entdeckt die Hildegard von Bingen.
    Das Augenmerk auf diese berühmte Frau des Mittelalters wird somit um ein Vielfaches erhöht.

  3. Avatar von Günther Anton
    Günther Anton

    Noumea hat ein Leben geführt, wie es in der damaligen Zeit, im ganzen Mittelalter bis zum 20. Jahrhundert bei der Landbevölkerung typisch gewesen ist. Es handelt sich um kinderreiche Familien, wobei die ältesten das spärliche Hab und Gut der Eltern übernommen und weiter verwaltet haben. Für die jüngeren Kinder ist nichts übrig geblieben. Sie mussten das Elternhaus verlassen. Wenn sie etwas lernen wollten, mussten sie ins Kloster gehen. Es wird immer wieder berichtet, dass sie einem Ruf Gottes gefolgt seien. Sie waren für körperliche Arbeiten zu schwach, für die geistige Tätigkeit in Klöstern aber sehr geeignet. In unserer Familie gibt es aus dem 19. und 20. Jahrhundert 5 Beispiele.

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