Jetzt wird’s mythisch

Marian und Gregorian im Wald (1)

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Marian, Gregorian, Ampelos und Dionysos

Die eineiigen Zwillinge Marian und Gregorian lebten mit ihren Eltern auf einem kleinen Bauernhof.  Die Familie bewirtschaftete tagein, tagaus die Felder und kümmerte sich um das Vieh. Trotz harter Arbeit waren alle glücklich und zufrieden. Obwohl Marian der Mutigere und Wildere von ihnen war und Gregorian etwas ruhiger und vorsichtiger, hatten beide ein Herz aus Gold. Man kann schlichtweg behaupten, dass sie ein Herz und eine Seele und stets füreinander da waren. Sie waren so eng verbunden, wie es wohl lediglich Zwillinge sein können. 

Wenige Tage nach ihrem 16.Geburtstag machten sie sich auf den Weg in den nahen Wald, dort wo er hügelig wurde, und mit zahlreichen Felsen durchzogen war. Bereits seit sie klein waren, hatten sie oft dort gespielt. Doch als sie heute zwischen den Felsen umherliefen, war etwas anders als sonst, denn halb verborgen hinter einem Busch, sichteten sie eine schmale Öffnung, welche es bisher noch nicht gegeben hatte. 

„Sieh nur Gregorian“, rief Marian aufgeregt, als sie sich der Öffnung näherten, „dort ist der Eingang zu einer Höhle. Der Starkregen der letzten Tage muss den Felsen ins Rutschen gebracht haben, welcher sie bisher verschlossen hat. Lass uns gleich hineingehen und schauen, was sich darin verbirgt!“ „Warte noch einen Augenblick, Marian!“, erwiderte Gregorian vorsichtig. „Wir sollten erst überprüfen, ob nicht noch mehr Felsen locker sind und uns womöglich einschließen, wenn wir drinnen sind.“ So rüttelten sie also an allem, was den Eingang zum Einsturz bringen könnte. 

„Immer schön alles prüfen. Glaubt ihr wirklich, dass euer Rütteln ausreicht, um festzustellen, dass irgendwelche Felsen herunterkommen? Ich verrate euch jetzt mal was: Heute könnt ihr unbesorgt reingehen. Morgen wird der Eingang von Felsen verschüttet“, sprach ein Satyr, der die beiden von einem Baum aus gegenüber von dem Höhleneingang beobachtet hatte. Bei ihrer Begutachtung standen die Zwillinge mit dem Rücken zu dem Baum und den Satyr. Die ganze Zeit hatten sie im Wald keinen gesehen. Nun drehten sie sich um und schauten verdattert. Gregorian wollte am liebsten weglaufen, aber irgendetwas hielt ihn davon ab. Marian fragte einfach drauf los: „Wer sind Sie? Haben Sie uns die ganze Zeit im Blick gehabt?“ „ Das kann man so sagen. Ich denke, wir sind per du, außer ihr beiden seht das anders.  Ich bin der Satyr Ampelos, Geliebter des Dionysos.“  

Dann sagte Gregorian auch etwas: „ Und du bist auf den Baum geklettert, um die Trauben von der  am Baum  hinaufgewachsenen Rebe zu pflücken und dann zu naschen.“ „ Das hast du ganz richtig bemerkt. So und ihr zwei hübschen wollt also auf Erkundungstour in dieser Höhle gehen. Dann nutzt heute die Gelegenheit.“ „Woher weisst du, dass morgen der Höhleneingang zugeschüttet wird?“, fragte Marian. „Ich weiß das doch gar nicht, aber ihr könnt einfach nicht austesten, ob ein Steinregen hinunterkommt. Es besteht schlichtweg keine Sicherheit„Dann sollten wir aber auch jetzt nicht reingehen“, meinte Gregorian. „ Hulala, jetzt seid ja ganz verunsichert, das habe ich ja prima hingekriegt! Großartig! Großartig!“, lachte Ampelos. „Was ist denn daran bitte großartig? Du spinnst wohl ein bisschen!“, sagte Marian etwas verärgert. „Ich weiß, wer alles weiß“ entgegnete Ampelos daraufhin.  „Aha!“, meinten die Zwillinge und zeigten Ampelos einen Vogel. 

„Geht jetzt einfach in die Höhle. Ihr werdet schon sehen, was ihr davon habt. Vielleicht wohnt da drinnen ja auch eine Wolfsfamilie.“ „Unsinn! Die Höhle ist doch erst seit heute da.“ „Woher lieber Marian willst du das denn so genau wissen? Wann wart ihr zwei schlauen Jugendlichen denn das letzte Mal hier? Na, jetzt müsst ihr aber überlegen…grübel, grübel… dann muss es wohl schon etwas her sein.“ Jetzt waren die Zwillinge noch mehr verunsichert. Woher kannte der Satyr bloß Marians Namen, obwohl er ihn gar nicht genannt hatte. War die Höhle doch schon länger da und inzwischen irgendein wildes Tier dort eingezogen? Doch sie wussten ganz genau, wann sie das letzte Mal hier waren: ziemlich genau vor einem Monat… oder?  Eigentlich waren die beiden sich ziemlich sicher, dass beim letzten Waldbesuch – wann er auch immer war – noch keine Höhle da war. Aber auch nur eigentlich.

Ampelos verunsicherte die beiden ungemein, allein schon durch seine Ausstrahlung. Den Satyr freute der irritierte Blick und die Unsicherheit der beiden sehr. Er lachte und turnte auf dem Baum herum, so dass letzten Endes passieren musste, was in solchen Situationen meistens geschieht: Ampelos stürzte vom  Baum. 

Gregorian konnte es sich nicht verkneifen: „Aha, jetzt fallen also keine Felsen, sondern ein Satyr!“  Sie rannten zu ihm und Marian fühlte seinen Puls: „Kein Puls, er ist tot. So lustig, wie er sich über uns gemacht hat, geschieht ihm das recht.“ „Ja, er war gemein, aber gleich den Tod habe ich ihm nicht gewünscht.“

„Marian! Gregorian! Was macht ihr da?“, schimpfte Dionysos, während er über Marian und Gregorian erschien. Wieder irgendeiner, der die Namen der Zwillinge kannte. Marian und Gregorian erschraken gleichermaßen: „Um Himmels Willen was ist denn nun?“  Dann stand Dionysos rechts neben den drei und sprach weiterhin sauer: „ Ihr habt meinen geliebten Ampelos auf dem Gewissen! Seid ihr euch dieser Straftat bewusst?“

Gregorian blieb ganz still, aber Marian fing sofort an, sich und seinen Bruder zu verteidigen: „ Nein, wir haben Ampelos nichts angetan! Wenn man so auf einem Baum herumhampelt wie Ampelos, sollte man sich nicht wundern, dass man dann hinunterfällt!“ „ Mein Geliebter wundert sich doch gar nicht und wisst ihr auch warum: Er ist tot und kann es nicht mehr.“ Die Zwillinge schüttelten nur noch den Kopf und dachten: „Der spinnt genauso. Die passen wunderbar zusammen. Das perfekte Liebespaar.“ Dann meinte Gregorian: „Lass uns jetzt in die Höhle gehen ! Ich denke, dass sie sicher genug ist.“ Gerade wollten die beiden aufbrechen, da schrie jemand: „Halt! Stopp! Ihr Menschenkinder werdet nirgendwo hingehen!“ 

Nächster Teil :

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